Ortsbesuch 4 „Visa pour l’Image“ Perpignan

Der Fotojournalismus ist heute davon geprägt, dass der Großteil der Fotojournalist*innen frei arbeitet, während zumindest bei den großen Tageszeitungen und Magazinen Bildredakteur*innen hingegen meist fester Bestandteil der Redaktionen sind. Entscheidend, um an Aufträge zu kommen, ist für Fotojournalist*innen ein gutes Netzwerk. Um dieses zu pflegen bzw. auf- und auszubauen sind Festivals wie „Visa pour l’Image“ im südfranzösischen Perpignan ein wichtiger Bestandteil, wie Dr. Felix Koltermann es bei seinem Besuch dort erfahren konnte.

Festivalwerbung in Perpignan (Foto Felix Koltermann)

In der Landschaft europäischer Fotografie Festivals nimmt das im September eines jeden Jahres stattfindende „Visa pour l’Image“ eine zentrale Rolle ein. Herzstück des Festivals vor allem für den professionellen Fotojournalismus ist die sogenannte „Professional Week“, die in diesem Jahr vom 28. August bis 4. September stattfand. Während die Ausstellungen einen ganzen Monat lang geöffnet sind, finden die Veranstaltungen vor allem in der ersten Septemberwoche statt. Dazu gehören etwa Diskussionsrunden über aktuelle Themen des Fotojournalismus, wie in diesem Jahr etwa dem neuen europäischen Leistungsschutzrecht, Vorträge und Führungen von Fotograf*innen sowie jeden Abend in der historischen Arena im Zentrum der Stadt die Screenings. Dort werden Jahr für Jahr auch verschiedene Preise in Höhe von mehreren 10.000€ vergeben. Das Festival ist international ausgerichtet, auch wenn es einen durchaus französischen Einschlag hinsichtlich der Themen und Teilnehmer*innen hat.

Das Festival zeichnet sich dadurch aus, dass es vor allem aktuelle Reportagen aus dem vergangenen Jahr zeigt. Eine Besonderheit ist, dass die präsentierten Geschichten in der Regel extrem umfangreich sind und selten weniger als 30 Einzelbilder umfassen. Vom Charakter geht es bei den in Perpignan gezeigten Fotografie vor allem um Nachrichtenfotografie, weniger um dokumentarfotografische Positionen. Themen der Ausstellungen im Jahr 2021 waren etwa die Klimamigrant*innen in Bangladesch, fotografiert von Abir Abdullah, der Konflikt im Jemen, fotografiert von Giles Clarke, oder die Flüchtlingskrise im äthiopischen Tigray, fotografiert vom AP-Fotografen Nariman El-Mofty. Kritik am Festival entzündet sich oft an der sehr konservativen Kuration, die sich darin zeigt, dass die Arbeiten meist in einem standardisierten Format mit gleicher Rahmung, Passepartout und Bildgröße gezeigt werden und somit wenig Varianz zu finden ist.

Ein wichtiges Element des Festivals aus Perspektive der Bildredakteur*innen und Fotojournalist*innen sind die Portfolioreviews. Während diese im vergangenen Jahr aufgrund von Corona ausschließlich online stattfanden, waren dieses Jahr auch wieder Treffen in Präsenz möglich. Um bei den offiziellen Portfolioreviews einen Termin bei einer/m Bildredakteur*in zu bekommen, mussten die Fotograf*innen sich im Vorhinein beim Festival registrieren. Die in der Regel 20-minütigen Treffen fanden dann in einem separaten Raum im Festivalzentrum des Palais des Congrès statt. Zu beobachten war jedoch, dass in diesem Jahr nur wenige Bildredakteur*innen klassischer journalistischen Medien angereist waren. Unter den wenigen Anwesenden waren auch Vertreter deutscher Redaktionen wie der FAZ und des Stern.

Blick in eine der Ausstellungen des Festivals (Foto Felix Koltermann)

Die zwanzigminütigen Termine haben dabei etwas von einem Speeddating. In der Regel ist nur Zeit, um ein maximal zwei längere Reportagen zeigen zu können. Zeit für ausführliches Feedback ist kaum. Viel eher geht es darum, Themen anzubieten, sich wieder ins Gespräch zu bringen oder darauf aufmerksam zu machen, dass man als Fotograf*in für Aufträge in einer bestimmten Region zur Verfügung steht. Erstaunlicherweise werden die Portfolioreviews nicht nur von jungen Fotograf*innen zu Beginn ihrer Karriere wahrgenommen, sondern auch von Kolleg*innen, die fest im Berufsfeld verankert sind. Vor allem für Letztere bietet sich mit den Treffen die Möglichkeit, im persönlichen Gespräch auch nochmal über vergangene Aufträge und neue Projekte zu sprechen. Bildredakteur*innen hingegen bekommen einen guten Einblick, welche Themen und Geschichten aktuell auf dem Markt verfügbar sind.

Hier zeigt sich, dass durchaus aufwendige und auch kostenintensive Reise nach Perpignan für viele Fotojournalist*innen und Bildredakteur*innen vor allem für persönliche Treffen wichtig ist. Oft bestehen Kontakte über Jahre nur per Mail oder Telefon, da die Personen in unterschiedlichen Weltregionen angesiedelt sind. Die Treffen in Perpignan bieten die Möglichkeit auch das „Gesicht“ hinter den Arbeiten kennenzulernen und in einen persönlichen und manchmal intensiveren Austausch zu gehen, als der digitale Arbeitskontakt es ermöglicht. Ein wichtiges Element der „Professional Week“ war für viele Jahre auch eine Art Marktplatz im ersten Stock des Festivalzentrums, wo sich Agenturen und andere Foto-Dienstleister*innen präsentierten. Ob dieses Angebot nur Corona zum Opfer gefallen ist oder ein langfristiger Trend darstellt, wird sich erst im nächsten Jahr beurteilen lassen.