Ob beim LUMIX Festival für jungen Fotojournalismus in Hannover, den Tagungen der Deutschen Fotografischen Akademie oder der Phototriennale Hamburg: Portfolio Reviews gehören schon lange zum festen Bestandteil von Fotofestivals und anderen Fotoevents. Vom 24.-26. September 2021 hat mit den „Hamburg Portfolio Review“ (HPR) in Deutschland zum ersten Mal eine Veranstaltung stattgefunden, die ausschließlich dem Ziel gewidmet ist, Fotograf*innen und Reviewer aus der ganzen Welt zusammen zu bringen. Felix Koltermann hat die Veranstaltung online verfolgt und mit Bildredakteur*innen und Fotograf*innen über die Hintergründe der HPR gesprochen.
Es ist ein fast schon feierlicher Moment, als Andreas Trampe, Bildredakteur beim Nachrichtenmagazin STERN und einer der Mitgründer der HPR, die Veranstaltung am 24. September 2021 im Kulissensaal des Altonaer Museums in Hamburg eröffnet. Vor Ort sind nur wenige Gäste, vor allem die Organisator*innen sowie einige Reviewer*innen und Teilnehmer*innen aus der Region. Die eigentliche Zielgruppe der HPR, über die ganze Welt verstreute Fotograf*innen und Fotojournalist*innen, verfolgt die Eröffnung über den Livestream. Seit Wochen haben Trampe und seine Kolleg*innen auf den sozialen Netzwerken wie Instagram aber auch in Gespräche mit Kolleg*innen auf Festivals wie in Perpignan für die Veranstaltung geworben und sogar extra eine Serie von Podcasts mit dem Titel „Visual Minds“ unter Regie von Sebastian H. Schröder produziert. Dort kommen einige der ca. 50 Reviewer*innen wie etwa James Estrin von der New York Times oder Kathryn Cook vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes zu Wort.
Über ein Jahr lang arbeiteten die Organisator*innen rund um die drei Gründer Andreas Trampe (STERN), Lars Lindemann (GEO) und Heike Ollertz (University of Europe/UE) auf die Realisierung der Veranstaltung hin. Als Sponsor*innen konnten das Unternehmen CANON, die Körberstiftung sowie die Behörde für Kultur und Medien der Hansestadt Hamburg gewonnen werden. Die ursprüngliche Idee für das Hamburg Portfolio Review, so Andreas Trampe im Gespräch, geht dabei zurück auf Luca Rocco, lange Jahre Berater für den Kamerahersteller Canon. Mit einem Budget aus mehreren zehntausend Euro wurde mit den HPR eine neue Marke mit einem eigenen visuellen Auftritt geschaffen und der Grundstein für eine Veranstaltung gelegt, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen soll. Aus über 1000 Bewerbungen aus der ganzen Welt wählte eine Jury 100 Fotograf*innen und Fotojournalist*innen aus, denen die Möglichkeit zu je vier individuellen Portfolio Reviews gegeben wurde. Darüber hinaus wurde auf der Webseite der HPR eine von ihnen eingereichte Fotoserie gezeigt. Eine Auswahl der Arbeiten war auch in zwei Ausstellungen zu sehen. Einmal Open Air vor dem Platz des Altonaer Museums und einmal auf der zeitgleich stattfindenden Messe Photopia.
Einer der für die HPR ausgewählten Teilnehmer ist Jonas Wresch, freier Fotojournalist aus Hamburg, der von der Agentur Focus vertreten wird. Nach seinem Fotojournalismusstudium in Hannover arbeitete er im Rahmen des „Junge Fotografie“-Stipendiums ein Jahr lang für die STERN-Redaktion. Für ihn war HPR interessant, weil es durch die Coronapandemie in den vergangenen 18 Monaten schwieriger war zu reisen und damit auch Redaktionen zu treffen. Ihn interessiert, Redakteur*innen treffen, zu denen er sonst nicht den Zugang hat, etwa aus den USA. Im Gespräch erzählt er, dass sein primäres Interesse an der Teilnahme ist, sein Netzwerk zu erweitern, um neue Ideen pitchen zu können, weniger schon fotografierte Geschichten zu verkaufen. Ebenfalls ausgewählt wurde Ana María Arévalo Gosen. Sie stammt aus Venezuela, wohnt aber seit einigen Jahren in Europa. Gleichwohl, so erzählt sie, hat sie bis heute vor allem Kontakte zu Redaktionen auf dem amerikanischen Kontinent. Von den HPR erhofft sie sich, ihr Netzwerk an Kontakten in Europa zu erweitern.
Die 50 eingeladenen Reviewer*innen decken, wie auch die Fotograf*innen und Fotojournalist*innen inhaltlich ein breites Spektrum der Fotografie zwischen Journalismus, NGO und Kunst ab. Aus dem journalistischen Bereich waren Vertreter*innen etwa von Le Monde, der South China Morning Post, Politiken, der Washington Post oder der Neuen Zürcher Zeitung vertreten. Jede*r Reviewer*in bekam acht zwanzig-minütige Reviews zugeteilt. Andreas Trampe erläutert, dass die Zuordnung der Fotograf*innen zu den Reviewer*innen mit das aufwendigste war und ganz klassisch händisch per Zettel im großen Konferenzraum des STERN erfolgte. Karen Fromm war als Reviewerin für den Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie und das LUMIX Festival für jungen Bildjournalismus eingeladen. Mit einigen anderen Reviewer*innen war sie vor Ort in der UE in Hamburg und führte ihre Reviews von dort digital durch. Sie erzählte, dass unter den Reviewer*innen eine sehr produktive Atmosphäre geherrscht habe, bei der im Vordergrund stand, für die Teilnehmer*innen jeweils konkrete Angebote und Kontakte zu finden.
Neben den nur den eingeladenen Fotograf*innen vorbehaltenen Portfolio Reviews war ein weiteres Standbein der HPR eine Reihe von öffentlichen Vorträgen und Podiumsdiskussionen am dritten und letzten Tag. Dort gab es etwa eine Runde über „Dos and dont’s for the perfect pitch“, eine Vorstellung neuer Fotokollektive und kleinerer Fotofestivals und einen Vortrag der Fotografin Evgenia Arbugaeva. Angesichts der extrem spannenden Gäste so wie der großen Relevanz der Themen sowohl für Berufseinsteiger*innen als auch für lange im Geschäft stehende Fotograf*innen war die geringe Teilnehmer*innenzahl im Livestream doch recht erstaunlich. Denn wo gibt es schon einmal die Chance, dass etwa Bildredakteur*innen und Galerist*innen aus dem Nähkästchen plaudern und sich in die Karten schauen lassen, was die besten Wege der Kontaktaufnahme und des Zugangs angeht. Auf dem Youtube-Kanal des Festivals sind die Aufzeichnungen des Livestreams jedoch weiterhin verfügbar.
Sehr aufschlussreich war etwa ein kurzes Video der beiden GEO-Bildredakteur*innen Trixi Rossi und Christian Gogolin, indem diese die aus ihrer Sicht wichtigsten Punkte für einen gelungenen Pitch darlegten. Dabei unterschieden sie zwischen der Vorbereitung, der Einreichung, der Produktion einer Geschichte sowie der Postproduktion. Als grundlegend für die Vorbereitung eines Pitches sehen sie es, die Bildsprache des jeweiligen Magazins zu studieren. Für die Einreichung eines Pitch empfehlen sie ein klar und fokussiertes PDF mit 10 – 15 Bildern, das korrekturgelesen wurde und in wenigen Sätzen klar die Geschichte umreißt. Sie wiesen darauf hin, dass sie selbst oft nur drei Minuten haben, um eine Geschichte der eigenen Chefredaktion vorzustellen. Eine Besonderheit für GEO ist, dass die Geschichten überraschen sollen und im Idealfall eine zweite Ebene besitzen die auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Interessant war auch der Hinweis, dass sie den Fotograf*innen vor Veröffentlichung keine Layouts zukommen lassen.
In einer Zeit, in der es nur wenige Minuten dauert, Profile auf Social Media- oder Businessplattformen anzulegen und diese mit Inhalt zu befüllen, erscheint analoges und persönliches Beziehungsmanagement fast anachronistisch. Die Veranstaltung Hamburg Portfolio Review zeigt jedoch, wie wichtig dies bis heute im Fotojournalismus ist. Mit einem Fokus genau auf diesem Beziehungsgeflecht treffen die Organisator*innen ziemlich genau die Erwartungen ihrer Teilnehmer*innen. Erstaunlicherweise ist für ein Gelingen einer solchen Veranstaltung nicht einmal das physische Treffen notwendig. Das digitale Format hat sogar Vorteile, reduziert es doch nicht nur den ökologischen Fußabdruck einer solchen Veranstaltung, sondern ermöglicht es auch Fotograf*innen und Fotojournalist*innen aus der ganzen Welt zu partizipieren und kann somit dazu beitragen, die Ungleichheiten im Fotobusiness zwischen globalem Norden und globalem Süden abzubauen. Andreas Trampe kann sich für die Zukunft gleichwohl ein Hybridformat vorstellen, bei dem eine kleine Gruppe von Fotograf*innen die Reise nach Hamburg eingeladen wird. Und auch Jonas Wresch würde sich freuen, wenn es die Möglichkeit zu Reviews in Präsenz geben würde.
Text: Dr. Felix Koltermann